Gericht entscheidet zu Gunsten der Geretteten der Humanity 1 – Dekret vom November 2022 rechtswidrig

Max Cavallari / SOS Humanity

Berlin, 13.02.2023. Am Montag, den 6. Februar 2023 entschied das Gericht in Catania (Sizilien), dass der Erlass eines interministeriellen Dekrets, mit welchem dem Rettungsschiff Humanity 1 am 4. November 2022 ein Halteverbot in italienischen Hoheitsgewässern auferlegt wurde, ein rechtswidriges Verhalten darstellt. Es behinderte in diskriminierender Weise das Recht auf Rettung und den Zugang zum Asylverfahren.

Die Entscheidung des Gerichts ist auch für das nachfolgende Gesetzesdekret vom 2. Januar 2023 von Bedeutung, über welches das italienische Parlament am Mittwoch abstimmen wird. Denn die Richterin hob die Pflicht Italiens hervor, Menschen in Seenot zu helfen. Genau gegen diese Verpflichtung verstößt Italien derzeit mit den neu eingeführten Beschränkungen für zivile Such- und Rettungsorganisationen.

Im November 2022 unterstützte SOS Humanity gemeinsam mit italienischen Anwälten die 35 verbliebenen Überlebenden, die ursprünglich nicht von Bord der Humanity 1 gehen durften, durch die Einleitung eines Eilverfahrens vor dem Zivilgericht in Catania. Ziel war es, das unterschiedslose Recht auf Rettung durch Anlandung im sicheren Hafen und das Recht der Schutzsuchenden auf Zugang zu einem förmlichen Asylverfahren an Land zu gewährleisten. Bevor das Gericht eine Entscheidung treffen konnte, durften die Überlebenden der Humanity 1 schließlich am 8. November 2022 von Bord gehen. Diese Änderung der Politik erfolgte nach einer breiten Medienberichterstattung über die Selektion der Schutzsuchenden an Bord, lokalen Protesten und der Ankündigung eines Hungerstreiks der 35 Überlebenden mit anschließender psychologischer Begutachtung.

„Diese Entscheidung eines italienischen Gerichts unterstreicht, dass die neue italienische Regierung verpflichtet ist, internationales Recht zu befolgen“, sagt Mirka Schäfer, politische Referentin von SOS Humanity. „Die Rechte von schutzsuchenden Geflüchteten dürfen nicht untergraben werden, indem man einigen von ihnen das Recht vorenthält, in einem EU-Mitgliedsstaat Asyl zu beantragen. Der Richter verweist auf die Verpflichtung Italiens, jedem Schiffbrüchigen Hilfe zu leisten, was die italienische Regierung im November 2022 nicht getan hat. Darüber hinaus verstößt Italien mit dem neuen Gesetzesdekret vom 2. Januar 2023, das die zivilen Such- und Rettungseinsätze einschränkt, gegen diese Pflicht. Dieses neue Dekret widerspricht dem internationalen Seerecht, den Menschenrechten und dem europäischen Recht und wird zu weiteren Todesfällen im Mittelmeer führen. Wir rufen die italienischen Abgeordneten auf, am Mittwoch gegen dieses rechtswidrige Dekret zu stimmen und dessen Umsetzung in nationales Recht zu verhindern.“

Im Herbst 2022 hat SOS Humanity auch gegen den interministeriellen Erlass vom November vor dem regionalen Verwaltungsgericht in Rom geklagt. Eine Entscheidung in diesem Verfahren steht noch aus.

Das oben genannte Urteil des Gerichts von Catania ist hier als PDF verfügbar.

Hintergrund: Die Ereignisse im November 2022 im Zusammenhang mit dem interministeriellen Dekret

Noch auf See und nachdem er 13 Tage lang auf einen sicheren Ort für die 179 Überlebenden an Bord gewartet hatte, erhielt der Kapitän der Humanity 1 am Abend des 4. November einen Brief. Dieser war von den italienischen Ministern für Inneres, Matteo Piantedosi, für Verteidigung, Guido Crosetti, und für Infrastruktur und Mobilität, Matteo Salvini, unterzeichnet. Das Dekret verbot der Humanity 1 länger in den italienischen Hoheitsgewässern zu bleiben, als es „für die Sicherstellung von Rettungs- und Hilfsmaßnahmen für Menschen in Notsituationen und in prekärem Gesundheitszustand“ notwendig war. Das Dekret sah vor, dass – anstelle einer Ausschiffung aller Geretteten gemäß dem Seerecht – besonders gefährdete Personen von den Behörden identifiziert werden und nur diese Auswahl von Überlebenden das Schiff verlassen darf.

Einen Tag später wurde der Humanity 1 der Hafen von Catania zugewiesen. Nach einer Selektion an Bord der Humanity 1 im Hafen in der Nacht vom 5. auf den 6. November, bei der 36 als „gesund“ eingestufte erwachsene Männer gezwungen wurden, auf dem Schiff zu bleiben, leitete SOS Humanity rechtliche Schritte ein. Ein Mann erlitt einen Zusammenbruch und musste in ein Krankenhaus gebracht werden. Die 35 verbliebenen Überlebenden auf dem Deck des Schiffes traten am folgenden Tag in einen Hungerstreik.

Auf der Grundlage des interministeriellen Dekrets wurde der Kapitän, Joachim Ebeling, von den italienischen Behörden aufgefordert, den Hafen mit den 35 Überlebenden an Bord wieder zu verlassen. Dies lehnte er unter Berufung auf das Seerecht ab: „Es ist meine Pflicht, die Rettung der Menschen in Not zu vollenden, indem ich alle Überlebenden in Catania als sicheren Hafen an Land bringe. Ich kann den Hafen nicht verlassen, bevor nicht alle Überlebenden, die aus Seenot gerettet wurden, von Bord gegangen sind“.

Siehe auch:
Vollständiger Text des interministeriellen Dekrets vom November 2022 (auf englisch)
Der Einsatzbericht vom Oktober / November

Für Rückfragen, Stellungnahmen oder Interviews wenden Sie sich bitte an
Pressesprecherin Petra Krischok, presse@sos-humanity.org, T +49 (0)176 – 552 506 54

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