SOS Humanity fordert dringend einen sicheren Ort für 179 Überlebende an Bord der Humanity 1
Berlin, 31.10.2022
Seit mehr als einer Woche wartet das Rettungsschiff Humanity 1 auf einen sicheren Ort für die 179 Menschen, die im zentralen Mittelmeer aus Seenot gerettet wurden. Nach acht Tagen und elf Anfragen für einen sicheren Hafen haben die zuständigen staatlichen Behörden in Malta und Italien noch immer keine positive Antwort auf die dringende Bitte um Ausschiffung aller Überlebenden gegeben. Unterdessen verschlechtert sich die medizinische Situation an Bord. Vor allem die mehr als 100 unbegleiteten Minderjährigen unter den Überlebenden leiden unter den Bedingungen.
Zwischen dem 22. und 24. Oktober hat die Crew des Rettungsschiffs Humanity 1 der deutschen Nichtregierungsorganisation SOS Humanity insgesamt drei Rettungen durchgeführt und dabei 180 Menschen aus Seenot gerettet. Nach der medizinischen Evakuierung eines unbegleiteten Minderjährigen am 27. Oktober befinden sich noch 179 Überlebende an Bord. Darunter sind mehr als 100 unbegleitete Minderjährige und ein sieben Monate altes Baby. An Bord der Humanity 1 breitet sich eine grippeähnliche Infektion aus, die bei einigen Personen hohes Fieber verursacht. Alle Covid-19-Tests bei den Betroffenen waren negativ. Überlebenden tragen Spuren von Gewalt, die sie auf der Flucht und in Libyen erlitten haben, darunter Schuss- und Schlagwunden.
Darüber hinaus ist der psychische Zustand der Überlebenden besorgniserregend, wie Luca, Mental Health Beauftragter an Bord der Humanity 1, berichtet: „In ihren Herkunftsländern, auf der Flucht nach Libyen und oder auf See haben einige der Geretteten den Tod ihrer Mitreisenden miterlebt oder extreme Gewalt erlitten.“ Er verweist auch auf die Berichte von Überlebenden, die am 24. Oktober aus einem stark überbesetztem Schlauchboot gerettet wurden: „Viele von ihnen mussten mit ansehen, wie Freunde oder Familienangehörige ertranken, die in der Nacht vor ihrer Rettung von dem Schlauchboot fielen. Gerade deshalb weisen die meisten Minderjährigen an Bord einen kritischen psychischen Zustand und deutliche Folgen der traumatischen Ereignisse auf, die sie erlebt haben. Jeden Tag wird ihr Bedürfnis nach Sicherheit dringender: Sie brauchen jetzt einen sicheren Ort!“
Der Kapitän der Humanity 1 hat am 23. Oktober, unmittelbar nach der ersten Rettung, die erste Anfrage für einen sicheren Ort an alle zuständigen Behörden, einschließlich der Rettungsleitstellen in Malta und Italien, geschickt. Bis zum 31. Oktober wurden insgesamt elf Anfragen gestellt, ohne eine positive Antwort zu erhalten. Nach dem Seerecht ist eine Rettung erst mit der Ausschiffung der geretteten Personen an einem sicheren Ort abgeschlossen[1]. SOS Humanity erwartet daher von den zuständigen staatlichen Behörden, dass sie der Humanity 1 – sowie den Rettungsschiffen Ocean Viking und Geo Barents – einen sicheren Ort zuweisen, an dem alle Überlebenden ohne weitere Verzögerung an Land gehen können.
„Es ist inakzeptabel und völkerrechtswidrig, Überlebende über eine Woche in Ungewissheit auf See zu lassen und ihr Leiden zu verlängern“, sagt Mirka Schäfer, politische Referentin von SOS Humanity. „Die Humanity 1 hat alle relevanten Behörden, einschließlich der Rettungsleitstellen in Italien und Malta, über alle Schritte der drei Such- und Rettungsaktionen informiert. Die Behörden haben uns jedoch weder Informationen geliefert noch die Koordinierung übernommen oder einen sicheren Ort zugewiesen. Wir erleben erneut, wie an der europäischen Außengrenze des zentralen Mittelmeers sowohl Rechtsstaatlichkeit als auch Menschlichkeit über Bord gehen“.
Eine detaillierte Chronologie der Such- und Rettungseinsätze und der Kommunikation mit den relevanten Behörden finden Sie hier.
[1] §1.3.2 Internationales Übereinkommen über den Such- und Rettungsdienst auf See (SAR), 1979; §3.1.9 Anlage der SAR Konvention, 2004; IMO-Richtlinie MSC.167(78), 2004
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