SOS Humanity klagt gegen Italiens Politik der Zuweisung entfernter Häfen
Berlin, 21. April 2023. Die Such- und Rettungsorganisationen SOS Humanity, Mission Lifeline und Sea-Eye klagen vor dem Zivilgericht in Rom gegen die systematische Zuweisung von entfernten Häfen durch die italienischen Behörden. Gestern wiesen die italienischen Behörden Ravenna in Norditalien als Ausschiffungsort für die Humanity 1 zu. Die Besatzung des zivilen Rettungsschiffs hatte am frühen Donnerstagmorgen 69 Überlebende im zentralen Mittelmeer gerettet. „Die Überfahrt zum weit entfernten Hafen von Ravenna ist für die Überlebenden psychisch und physisch eine enorme Belastung“, betont der Kapitän der Humanity 1. Außerdem widerspricht das Vorgehen der italienischen Behörden dem internationalen Seerecht und wird deshalb von den zivilen Such- und Rettungsorganisationen vor Gericht angefochten.
Am 20. April kurz vor 2 Uhr morgens rettete die Besatzung der Humanity 1 in internationalen Gewässern vor der libyschen Küste 69 Menschen, darunter mehr als 15 unbegleitete Minderjährige, aus Seenot. Der um 03:30 Uhr zugewiesene Hafen Ravenna ist über 1.600 km von der Position des Schiffes zum Zeitpunkt der Rettung entfernt, obwohl andere Häfen näher liegen. Die lange Fahrt nach Ravenna birgt die Gefahr, dass sich der Zustand der schutzbedürftigen Menschen verschlechtert.
Der Kapitän der Humanity 1 ist sehr besorgt über das physische und psychische Wohlbefinden der Überlebenden an Bord des Rettungsschiffs. Er hat daher die zuständige italienische Rettungsleitstelle gebeten, die Entscheidung zu überdenken und der Humanity 1 stattdessen einen nahegelegenen sicheren Ort zuzuweisen, damit die 69 Überlebenden umgehend von Bord gehen können.
„Nicht nur der Ort der Ausschiffung muss für die Geretteten sicher sein, sondern auch der Weg dorthin. Aktuell haben wir schwere See mit starken Ostwinden. Eine fünftägige Fahrt nach Ravenna bedeutet, den geschwächten, unterkühlten und seekranken Geretteten eine bessere medizinische Versorgung an Land vorzuenthalten. Eine Person war bei der Rettung ohnmächtig. Eine sichere Ausschiffung kann auch in einem süditalienischen Hafen gewährleistet werden, der in ein bis zwei Tagen zu erreichen wäre.“
SOS Humanity betont, dass die systematische Zuweisung entfernter Häfen durch die italienischen Behörden seit Dezember 2022 nicht im Einklang mit dem internationalen Seerecht steht. Dieses schreibt vor, dass ein sicherer Ort „mit minimaler Abweichung von der Schiffsroute“ zugewiesen werden sollte und dass die zuständigen Rettungsleitstellen „dafür sorgen, dass die Ausschiffung so schnell möglich erfolgt.“ [1] Seit Dezember 2022 sind mehr als 20 unnötig weit entfernte Häfen an nichtstaatliche Such- und Rettungsorganisationen vergeben worden.
Gemeinsam mit den Such- und Rettungsorganisationen Mission Lifeline und Sea-Eye geht SOS Humanity daher gegen die systematische und unrechtmäßige „Politik der weit entfernten Häfen“ der italienischen Behörden vor. Diese gefährdet eindeutig das Wohlergehen von Überlebenden in Seenot und zielt darauf ab, die Aktivitäten von zivilen Seenotrettungsorganisationen auf illegale Weise einzuschränken.
Neben Humanity 1 wurden auch den Rettungsschiffen von Mission Lifeline und Sea-Eye im Dezember 2022 und Februar 2023 weit entfernte Häfen zugewiesen. Im Falle von Sea-Eye befanden sich viele Überlebende in einem kritischen medizinischen Zustand und ein Überlebender starb kurz nach seiner Rettung. [2]
Weitere Informationen finden Sie in unserer Pressemappe.
Nachweise:
[1] 2004 Amendments to the International Convention on Maritime Search and Rescue (1979), IMO Resolution MSC.155(78), 3.1.9
[2] https://sea-eye.org/en/2023/02/