Stellungsnahme zur Streichung finanzieller Unterstützung der Bundesregierung

Geschäftsführer von SOS Humanity Till Rummenhohl bei einer Pressekonferenz
Laurin Schmid / SOS Humanity

Zur Einstellung der finanziellen Unterstützung ziviler Seenotrettung durch das  Auswärtige Amt und zur medialen Wiederverwendung einer Falschbehauptung des heutigen Außenministers Wadephuls von 2023, in der er zivilen Seenotrettungsorganisationen unterstellt, „Schleuserbanden ihr Geschäft“ zu ermöglichen, erklärt der Geschäftsführer von SOS Humanity, Till Rummenhohl:

Es ist alarmierend und gefährlich, wenn Falschbehauptungen von führenden deutschen Politikern, wie dem heutigen Außenminister Johann Wadephul, die lebensrettende Arbeit von zivilgesellschaftlichen Organisationen haltlos diffamiert. Es ist wissenschaftlich mehrfach bewiesen worden, dass es keinen Zusammenhang zwischen Fluchtbewegungen und der Präsenz von Rettungsschiffen im Mittelmeer gibt. Menschen fliehen über das zentrale Mittelmeer, weil sie keine Alternative haben, um Krieg, Gewalt, Diskriminierung, fehlenden Perspektiven und Klimawandel in ihren Herkunftsländern sowie Menschenrechtsverletzungen und Folter in Libyen oder Tunesien zu entfliehen. Der sogenannte „Pull-Faktor“ ist ein Mythos. Die Aussage von Johann Wadephul von 2023, Rettungsorganisationen würden den „Schleuserbanden deren Geschäft“ ermöglichen, ist grundfalsch. Wir leisten humanitäre Nothilfe strikt nach internationalem Recht und retten Menschenleben, da wo die europäischen Staaten tatenlos bleiben. Ausbeutung und Gewalt sind vielmehr die Konsequenz von fehlenden legalen und sicheren Fluchtwegen nach Europa. Derartige Äußerungen diffamieren – entgegen jeder Evidenz – humanitäre Hilfe und die Zivilgesellschaft, die sich seit zehn Jahren auf See für Rettung und Menschenrechte engagiert. Gerade jetzt, in Zeiten des fortgesetzten Erstarkens rechtsextremer Kräfte in Europa und Deutschland, brauchen wir von allen demokratischen Parteien eine faktenbasierte Migrationspolitik und -rhetorik, die nicht auf rechtsextreme Narrative aufbaut und Falschdarstellungen und Emotionalisierung befördert.“ 

Zur Einstellung der finanziellen Unterstützung

„Als SOS Humanity sind wir nicht überrascht, aber dennoch empört, dass diese ohnehin bescheidene Unterstützung von 2 Millionen Euro pro Jahr für zivile Seenotrettungsorganisationen von der neuen Bundesregierung vorzeitig gestrichen wurde, sagt Till Rummenhohl, Geschäftsführer von SOS Humanity. “Damit ignoriert die Bundesregierung einen Beschluss des Deutschen Bundestages aus dem Jahr 2022, der für vier Jahre bis 2026 vereinbart wurde. 

Das passt in den europäischen Trend, die Rettung von Menschenleben auf See und den Schutz der Rechte von Menschen auf der Flucht im zentralen Mittelmeer der Zivilgesellschaft zu überlassen. Seit zehn Jahren füllen Nichtregierungsorganisationen die Rettungslücke, welche die europäischen Staaten hinterlassen haben. Mehr als 175.000 Menschenleben konnten dank des beeindruckenden Einsatzes der europäischen Zivilgesellschaft gerettet werden. 21 Nothilfe-NGOs sind im zentralen Mittelmeer aktiv, 10 davon kommen aus Deutschland. 
Im gleichen Zeitraum sind jedoch auch mehr als 21.700 Menschen auf dieser tödlichen Fluchtroute ums Leben gekommen. Wir erleben auf dem Mittelmeer ständig, dass Menschen auf der Flucht dem Tod überlassen werden. 

Die EU hat ihre Abschottungspolitik finanziert, indem sie in zehn Jahren 242 Millionen Euro für die so genannten libyschen und die tunesischen Küstenwachen und Rettungsleitstellen ausgegeben hat, die systematisch illegale Rückführungen durchführen und Menschenrechtsverletzungen begehen. Es ist absurd, dass so viel Geld für die Abschottung Europas ausgegeben wird, während so wenig Geld für die Rettung von Menschen offenbar immer noch zu viel ist.  

Was wir jetzt brauchen, ist ein europäisches Such- und Rettungsprogramm sowie sichere und legale Fluchtrouten für Schutzsuchende.“