Interview: Logistikerin für ein Such- und Rettungsschiff

Rund 30 Personen sind während unserer Rettungseinsätze an Bord der Humanity 1. Doch damit unser Schiff wochenlange Einsätze auf See überhaupt antreten kann, braucht es umfassende Vorbereitung an Land. Logistiker*innen sorgen dafür, dass die Crew mit allem versorgt ist, was sie für einen erfolgreichen Einsatz braucht – von Lebensmitteln über Ersatzteile bis hin zur medizinischen Ausrüstung.
Bitte stelle dich vor und erzähle, was du für SOS Humanity tust.
Mein Name ist Federica, und ich bin eine der Logistikerinnen der Humanity 1, zusammen mit meiner Kollegin Gabriella. Unsere Arbeit konzentriert sich vor allem auf die operativen Aspekte des Schiffes, also darauf, es für Rettungseinsätze bereitzumachen. Das bedeutet, dass wir sicherstellen, dass die Kombüse mit hochwertigen Lebensmitteln vollständig ausgestattet ist, dass das Care-Team bereit ist, Überlebende an Bord willkommen zu heißen, mit Rettungskits und warmen Decken und Hygieneartikeln. Außerdem achten wir auch darauf, dass wir die SAR-Abteilung mit allem notwendigen Equipment versorgen, einschließlich Ersatzteilen für die Wartung der RHIBs und, dass das Kommunikationsteam die IT- und visuellen Werkzeuge für Einsätze hat.
Zusätzlich versuchen wir, jede Spende sinnvoll einzusetzen. Wir arbeiten eng mit den Finanz- und Fundraising-Abteilungen zusammen, indem wir monatliche Ausgabenberichte erstellen und Markt- und Lieferant*innenanalysen durchführen, um das beste Angebot in Bezug auf Qualität und Preis zu finden. Wir bemühen uns, möglichst lokal einzukaufen, um die lokale Wirtschaft zu unterstützen. Außerdem stehen wir regelmäßig mit den Hafenbehörden in Kontakt, um sicherzustellen, dass die Einsätze reibungslos ablaufen und alles den Vorschriften entspricht.
Wie und wann hast du angefangen, für SOS Humanity in dieser Position zu arbeiten?
Ich bin im November 2022 während einer sehr traurigen und herausfordernden Zeit mit der Arbeit des Rettungsschiffes Humanity 1 in Kontakt gekommen: der selektiven Ausschiffung in Catania. Ich war dort, um die Überlebenden und die Organisation zu unterstützen, auch weil einige Freund*innen, die ich bei anderen Freiwilligeneinsätzen kennengelernt hatte, an Bord waren. Dann habe ich das Schiff und die Crew im April 2023 wieder getroffen, als das Schiff den ersten Hafenanlauf in Siracusa hatte. In diesem Moment bin ich aufgrund einer kurzfristigen Absage als zweite Köchin zur Rotation 5 dazugestoßen.
Nachdem ich eine starke Beziehung zur Organisation, zum Schiff, zur Crew und zu meiner Kollegin Gabriella aufgebaut hatte, die damals die einzige Logistikerin war, habe ich im Februar 2024 offiziell bei SOS Humanity angefangen – das ist bis jetzt eine meiner schönsten Erinnerungen!
Im Rahmen deiner Arbeit stehst du mit Menschen aus Syrakus in Kontakt. Welche Meinungen zu Such- und Rettungsschiffen hörst du? Wie reagieren die Menschen auf SOS Humanity?
In meiner Erfahrung sind die Menschen aus Syrakus im Allgemeinen sehr offen und herzlich gegenüber uns und unserer Arbeit. Das zeigt sich in der Zusammenarbeit mit lokalen Vereinen, die sich um Aufnahme und Menschenrechte kümmern, sowie in der Unterstützung von einzelnen Bürgerinnen und Bürgern, denen sehr am Herzen liegt, was im Mittelmeer passiert. Im Laufe der Zeit konnten wir dank lokaler Veranstaltungen wie öffentlichen Vorträgen, Fotoausstellungen und Gemeinschaftstreffen, eine Verbindung zur lokalen Gemeinschaft aufbauen – nicht nur mit denen, die uns immer unterstützt haben, sondern auch mit Menschen, die sich vielleicht distanziert fühlten oder wenig über die Seenotrettung wussten.
Ich erinnere mich lebhaft an einen Moment während unserer Open-Ship-Veranstaltung im letzten September: Wir haben Besucher*innen durch das Schiff geführt und ihnen die Bereiche gezeigt, in denen Gerettete willkommen geheißen werden und Zeit verbringen. Viele waren sichtlich bewegt, und einige dankten uns mit Tränen in den Augen für unsere Arbeit im zentralen Mittelmeer. Natürlich sind wir uns auch bewusst, dass nicht jede*r uns positiv gegenübersteht, vor allem wegen der Art, wie NGO-Schiffe manchmal in den Medien dargestellt werden.
Hat sich deine Meinung zur Seenotrettung seit deiner Arbeit bei SOS Humanity verändert?
Absolut. Die Beteiligung hat mir erst richtig vor Augen geführt, wie notwendig die Präsenz der zivilen Flotte im zentralen Mittelmeer ist – nicht nur, weil Menschen gerettet werden müssen, sondern weil sichere Wege für alle zugänglich sein sollten. Ich kann wirklich sehen, wie viel Arbeit, Koordination, Finanzierung und menschlicher Einsatz nötig ist, damit Menschen, die vor unerträglichen Bedingungen fliehen müssen, nicht nur Zugang zu einem besseren Leben, sondern sogar zu grundlegenden Rechten wie Sicherheit, Fürsorge und Würde bekommen. Es geht nicht nur darum, Leben zu retten, sondern auch darum, sicherzustellen, dass Menschen die Chance haben, sicher zu sein und gehört zu werden.
Was motiviert dich, in diesem politischen Klima weiterhin in diesem Bereich zu arbeiten?
Es ist die Tatsache, dass der Handlungsbedarf nicht verschwunden ist, sondern sogar wächst. Menschen riskieren immer noch ihr Leben auf See, weil ihnen sichere und legale Alternativen verweigert werden.