Celine* über ihre Flucht nach Europa: „Es gibt keine Hoffnung“

Eine Frau hält sich am Seil des RHIBs fest auf dem Weg zur Humanity 1 auf dem Mittelmeer.
Raphael Schumacher / SOS Humanity

Bevor Celine* zusammen mit ihrem Kind die Flucht übers Mittelmeer wagte, hielt sie sich in Tunesien auf. Anfang Juli 2023 wurde sie von der Crew der Humanity 1 gerettet. An Bord der Humanity 1 berichtet sie der Crew von Diskriminierung und Gewalt in Tunesien, der Hoffnungslosigkeit in ihrem Heimatland und der Angst vor dem Ertrinken auf dem Mittelmeer

[Triggerwarnung] Der Text beschreibt explizit Formen von Gewalt.

Ich würde gerne meine Geschichte erzählen. Ich komme aus Burkina Faso. In Burkina Faso ist Krieg. Es ist entsetzlich. Meine Eltern wurden getötet, mein Vater, meine Mutter. Frauen werden getötet, sie werden nackt ausgezogen. Es gibt nichts zu essen, kein Wasser zu trinken, die Menschen verhungern. Viele Menschen werden getötet, Autos werden verbrannt. Es gibt keine Hoffnung. 

Ich war mit dem Vater meiner Tochter zusammen. Er sagte, wir sollten gehen. 

Also gingen wir nach Libyen. Später versuchten wir, Libyen über das Meer zu verlassen. Es waren 39 Menschen auf dem Boot. Aber das Boot hat Schiffbruch erlitten. Der Vater meiner Tochter starb. Vier Menschen wurden vor dem Ertrinken gerettet. Ich war die einzige Frau, außerdem drei Jungs. Ich war zu der Zeit mit meiner Tochter schwanger. Ich wurde zurück nach Libyen gebracht. Die [Polizei] erwischte uns und steckte uns in ein Gefängnis, sie sperrte uns ein. Ich wurde krank. Dann wurde ich freigelassen und bekam das Kind in Libyen. Aber das Leben in Libyen ist sehr schwierig. Ich schlief draußen auf der Straße. 

Dann lernte ich eine Frau kennen, die mir half. Sie sagte, ich solle nach Tunesien gehen. Nachdem ich zwei Jahre in Libyen verbracht hatte, kam ich schließlich nach Tunesien. Dort wurde ich von der Polizei aufgegriffen. Alles war kompliziert, es gab kein Essen, es war sehr schwer für mich. 

In Tunesien werden schwarze Menschen weggejagt. Sie werden geschlagen. Tunesien ist sehr kompliziert, auch jetzt. Es herrscht Gewalt. Ich wurde mit meinem kleinen Baby aus einem Haus geholt. Ich konnte nirgendwo hin, hatte keinen Platz zum Schlafen. Die jungen Leute in Tunesien greifen dich an, sie nehmen dir dein Telefon und dein Geld weg. Sie nahmen das wenige Geld, das ich hatte, zückten Messer und wollten mich packen. Sie zwangen uns, das Haus zu verlassen, sie nahmen Steine, um sie auf uns zu werfen.

Nach drei Monaten in Tunesien sind wir zum Meer gegangen. Die Frau, die mir geraten hatte, nach Tunesien zu gehen, half mir mit Geld, um das Boot zu bezahlen. Dieses Mal waren wir [51] Leute auf dem Boot. Der Motor ging kaputt. Wir hatten nichts mehr. Nur die Wellen. Ich dachte, ich würde sterben, dass es vorbei wäre. Alle schrien. Es war schrecklich. Wir haben fast vierundzwanzig Stunden auf dem Boot verbracht. Dann sahen wir euer Boot, wir riefen. Durch die Gnade Gottes habt ihr uns gerettet.  

Als ich in euer Boot stieg, weinte ich. Nicht um mich selbst, sondern um mein kleines Mädchen. Ich sagte: Gott, auch wenn ich sterben muss, lass das kleine Mädchen am Leben. Sie hat es nicht verdient.  

Zuerst wussten wir nicht, dass es ein Rettungsboot war. Wir dachten, entweder sind es Tunesier oder Libyer. Aber als ihr uns sagtet „willkommen in Europa“, waren wir alle glücklich. Wir hatten zu viel gelitten. Es waren drei Jahre voller Schwierigkeiten, um nach Europa zu kommen. Ich will, dass meine Tochter zur Schule geht. Ich möchte, dass sie studiert, dass sie Anwältin wird. 

 

*Name geändert und nicht am Foto abgebildet. Das Gespräch wurde von Sasha Ockenden, Kommunikationskoordinator an Bord der Humanity 1, auf Französisch geführt und aufgezeichnet.

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