Meldung des Seenotfalls: von der Crew mit den Ferngläsern entdeckt
Ort: Libysche Such- und Rettungszone, ungefähr 100 Kilometer vor der libyschen Küste
Zustand des Bootes: Blaues Holzboot mit drei Motoren, die nicht laufen, überbesetzt und seeuntüchtig
Anzahl der Überlebenden: 85
Gesundheitszustand: Die Überlebenden sind erschöpft, einige von ihnen sind seekrank und leiden unter Dehydrierung und leichter Unterkühlung, einige Personen haben Schmerzen in den Beinen oder leiden unter Verbrennungen durch Treibstoff.
Wetterbedingungen: Leicht unruhig, 0,5 Meter hohe Wellen
Chronologie und Kommunikation mit den Behörden
09:14 MEZ Während sich das Humanity 1 in Position 33° 54′ N 012° 58′ O in der libyschen Such- und Rettungszone befindet, entdeckt die Crew in einer Entfernung von ca. 10 Seemeilen einen möglichen Seenotfall mit einer unbekannten Anzahl von Personen an Bord.
09:31 MEZ Humanity 1 identifiziert nach einer ersten Einschätzung vom Ausguck ein kleines bis mittelgroßes überbesetztes Boot mit Personen an Bord.
09:41 MEZ Humanity 1 lässt die RHIBs (schnelle Rettungsboote) ins Wasser, um die Situation zu beurteilen.
09:42 MEZ Humanity 1 informiert die Italienische Rettungsleitstelle (MRCC Rom), die Maltesische Rettungsleitstelle (JRCC Malta) und den deutschen Flaggenstaat (MRCC Bremen) per E-Mail über das Boot in Seenot und die Absicht, Hilfe zu leisten.
09:46 MEZ Die Crew auf den RHIBs meldet Humanity 1 ihre Einschätzung der Lage, die den Notfall bestätigen: ein seeuntüchtiges, überfülltes, blaues Holzboot treibt mit drei Motoren, von denen keiner läuft, auf dem Meer. An Bord befinden sich etwa 70 Menschen in Not. Es gibt keine Rettungsausrüstung an Bord, die Menschen sind den Elementen ausgesetzt und es riecht nach Treibstoff.
09:48 MEZ Die Crew der RHIBs beginnt damit Schwimmwesten zu verteilen.
09:56 MEZ Humanity 1 sendet eine E-Mail an MRCC Rom, JRCC Malta und MRCC Bremen, in der sie den Notfall bestätigt und mitteilt, dass die Humanity 1 den Menschen in Not unverzüglich Hilfe leisten und sie unter Einhaltung des Völkerrechts unverzüglich Rettungsmaßnahmen einleitet.
10:04 MEZ Die ersten Personenwerden vom Boot, das sich in Seenot befindet auf die RHIBs geholt.
10:08 MEZ Die ersten Personen gehen an Bord der MV Humanity 1.
10:21 MEZ MRCC Rom fordert Humanity 1 per E-Mail auf JRCC Libyen zu kontaktieren, da die Rettung in der libyschen Such- und Rettungszone stattfand.
10:49 MEZ Alle 85 Überlebenden sind sicher an Bord der Humanity 1.
10:59 MEZ In Position 33° 52’ 29’’ N 013° 00’ 18’’ E informiert MV Humanity 1 MRCC Rom, JRCC Malta und MRCC Bremen per E-Mail darüber, dass sie 85 Personen aus Seenot gerettet hat und fragt um einen sicheren Ort für die Ausschiffung der 85 Überlebenden an. Humanity 1 erklärt, dass das Schiff und die Crew den internationalen Vorschriften für Such- und Rettungsmaßnahmen unterliegen. Libyen ist kein sicherer Ort für die Ausschiffung von Menschen, die aus Seenot gerettet wurden, und die libysche Rettungsleitstelle ist keine kompetente Behörde für die Koordinierung von Such- und Rettungsmaßnahmen gemäß internationalem Standard. Vor diesem Hintergrund kann Humanity 1 keine operative Koordinierung mit den libyschen Behörden vornehmen, um die Ausschiffung oder Überführung von geretteten Personen in libysche Häfen nicht zu ermöglichen. Das würde direkt gegen die völkerrechtlichen Verpflichtungen an die Humanity 1 gebunden ist verstoßen. Zudem koordiniert LY JRCC die sogenannte libysche Küstenwache, die dafür zuständig ist, auf Menschen in Seenot und humanitäre Schiffe auf See zu schießen, wodurch die Koordinierung mit LY JRCC eine Sicherheitsbedrohung für Humanity 1 darstellt.
11:15 Uhr MEZ Beide RHIBs sind zurück an Bord der MV Humanity 1.