Fotoausstellung: Suchen und Retten aus vier Blickwinkeln

Überlebende schlafen an Bord der Humanity 1
Pietro Bertora / SOS Humanity

Alessio Cassaro, Camilla Kranzusch, Laurin Schmid, Lukas Kaldenhoff, Maria Giulia Trombini, Max Cavallari, Nicole Thyssen, Pietro Bertora, Raphael Schumacher and Wasil Schauseil, waren bei den jüngsten Einsätzen im zentralen Mittelmeer Teil der Crew an Bord der Humanity 1. Ihre Fotos wurden zwischen Dezember 2022 und Juli 2024 aufgenommen und zeigen verschiedene Blickwinkel und Perspektiven von Rettungseinsätzen.

Ein erster Blick – Die Einschiffungszone

Flüchtende mit Rettungswesten von hinten, Humanity am Horizont zu sehen
Pietro Bertora / SOS Humanity

Da, wo eine Rettungsaktion beginnt und endet, kann es sehr hektisch werden. Wenn ein in Not geratenes Boot gesichtet wird, bereiten sich die Besatzungsmitglieder im Einschiffungsbereich auf die Rettung vor.

Embarkation von Flüchtenden auf das RHIB
Wasil Schauseil / SOS Humanity

Sie erhalten letzte Informationen und Anweisungen von der Such- und Rettungskoordination, bevor sie mit den schnellen Rettungsbooten (RHIBs) – namens Bravo und Tango – in Richtung des Notfalls ablegen.

Ein kleines Kind mit Rettungsweste wird von einer Seenotretterin von SOS Humanity auf ein Boot gebracht.
Laurin Schmid / SOS Humanity

Die RHIB-Crew nähert sich dann dem Boot, nimmt Kontakt zu den Menschen auf und verteilt Rettungswesten, bevor sie die Überlebenden an Bord nimmt. Tango hat eine Rettungskapazität von 12 Personen, während Bravo mehr als 20 Personen aufnehmen kann.

Embarkation auf die Humanity 1
Pietro Bertora / SOS Humanity

Wenn die RHIB-Crews zurückkehren, tun sie dies mit Menschen, die gerade vor Gewalt, Folter und unmenschlichen Bedingungen in Libyen und Tunesien geflohen sind, von wo aus die meisten Boote abfahren.

Gerettete an Bord der Humanity 1
Laurin Schmid / SOS Humanity

Diese Menschen besteigen die Humanity 1 – oft in einem erschöpften Zustand, manchmal krank und dehydriert, aber voller Hoffnung, mit Träumen und dem Wunsch nach einem Leben in Würde.

Ein Ort für Vieles – Das Achterdeck

Rettungswesten hängen an Deck der Humanity 1
Nicole Thyssen / SOS Humanity

Die ersten Stunden an Deck nach einer Rettung sind meist ruhig. Wenn die Überlebenden an Bord kommen, werden sie zunächst registriert und dann mit trockener Kleidung, einer Decke und Hygieneartikeln versorgt.

Überlebende schlafen an Bord der Humanity 1
Pietro Bertora / SOS Humanity

An Bord des Schiffes sind die Ressourcen begrenzt und jede einzelne Aktivität wird vom Wetter bestimmt. Trotz dieser Bedingungen tut die Besatzung ihr Bestes, um sich gut um die Überlebenden zu kümmern.

Kleinkind an Deck der Humanity 1
Wasil Schauseil / SOS Humanity

Für Frauen und Kinder – die am meisten gefährdete Gruppe unter den Geretteten – gibt es einen Schutzraum, der nur für sie vom Achterdeck aus zugänglich ist.

Crew von hinten im Vordergrund, Überlebende im Hintergrund
Pietro Bertora / SOS Humanity

Ab dem Tag nach einer Rettung versucht die Besatzung, einen Tagesablauf an Bord zu etablieren. Die Tage an Bord beginnen immer mit einem Frühstück um 9 Uhr und einer anschließenden Morgenbesprechung, bei der aktuelle Informationen ausgetauscht und für die Überlebenden wichtige Punkte angesprochen werden können.

Crew und Überlebende essen gemeinsam an Deck
Laurin Schmid / SOS Humanity

Mittags und abends gibt es zwei warme Mahlzeiten, die auf dem Hauptdeck serviert werden. An Bord der Humanity 1 essen Überlebende und Besatzung das gleiche Essen am gleichen Ort.

Überlebende flechten Crewmitglied die Haare an Deck der Humanity 1
Max Cavallari / SOS Humanity

Am Nachmittag sind die Freizeitaktivitäten gut besucht. Das Achterdeck kann gleichzeitig in einen Friseursalon, einen Sportbereich oder ein Klassenzimmer für Italienischunterricht umgewandelt werden – und im weiteren Verlauf der Mission wird es zu einem Ort der vielfältigen menschlichen Begegnungen.

Vorerst sicher – Der Schutzraum

Überlebende im Shelter der Humanity 1
Maria Giulia Trombini / SOS Humanity

Der von Wärmelampen gewärmte und von Wetterschutzplanen umgebene Shelter-Bereich auf dem Bootsdeck ist einer der Hauptaufenthaltsorte für die Überlebenden an Bord der Humanity 1. Hier fühlen sich viele zum ersten Mal seit langem wieder sicher.

Gerettete an Bord der Humanity 1
Max Cavallari / SOS Humanity

Dieser Schutzraum bietet den Geretteten ein Maß an Sicherheit, das in ihren Heimatländern, in die sie vor Krieg, Armut oder Verfolgung geflohen sind, oft nicht gegeben ist. Sicherer als in Libyen oder Tunesien – Transitländer, in denen sie die letzten Wochen, Monate oder Jahre verbracht haben und Folter, (sexueller) Gewalt und Rassismus ausgesetzt waren.

Überlebender blickt auf das Meer hinaus
Max Cavallari / SOS Humanity

Sicherer als die seeuntüchtigen Boote, in denen sie dem Schrecken ihrer Vergangenheit zu entkommen versuchten und oft mehrere Tage auf dem offenen Meer verbrachten.

Trotz alledem befinden sich diese Menschen auch hier in dieser Notunterkunft noch immer in einer Notsituation, bis sie an einem sicheren Ort an Land gehen können.

überlebendes Kind an Bord, eingehüllt in Decken
Laurin Schmid / SOS Humanity

An Bord können nur die Grundbedürfnisse befriedigt und medizinische und psychologische Erste Hilfe geleistet werden. Nach der ersten Ruhepause kann sich bei vielen Überlebenden ein Moment der Erkenntnis einstellen. Freude kann in Erschöpfung und das Gefühl umschlagen, zwischen ihrer oft schrecklichen Vergangenheit und der ungewissen Zukunft in Europa gefangen zu sein.

Gerettete schlafen im Shelter der Humanity 1
Joshua Wedler / SOS Humanity

Außerdem schlafen die Menschen auf dem Boden, wo sie Wind und Wetter ausgesetzt sind. Je nach der Gesamtzahl der geretteten Menschen kann es an Deck sehr eng werden, was die Gefahr von Konflikten zwischen den verschiedenen Gruppen von Überlebenden erhöht. Aber im Moment sind sie in Sicherheit.

Alles im Blick – Die Suchstation

Ausblick von der Brücke der Humanity 1 aus
Maria Giulia Trombini / SOS Humanity

Beim ersten Auftauchen könnte der dunkle Punkt am Horizont alles Mögliche sein. Wenn man näherkommt, kann man die Umrisse eines länglichen Objekts im Wasser erkennen. Gummiboote liegen meist flach auf der Wasserlinie, wirken starr und können bei Sturm schnell auseinanderbrechen.

leeres Schlauchboot in der Nacht
Maria Giulia Trombini / SOS Humanity

Holzboote bewegen sich viel in den Wellen, aber sie können leicht kentern, vor allem wenn sie überbesetzt sind und einen hohen Schwerpunkt haben. Metallboote liegen flach im Wasser, und schon bei kleinsten Wellen können sie sich innerhalb von Minuten mit Wasser füllen und sinken, wobei Dutzende von Menschen ums Leben kommen.

Lookout auf der Humanity 1
Maria Giulia Trombini / SOS Humanity

Wenn man Köpfe über den Bootsrand ragen sieht, weiß man, dass man schnell handeln muss.

Von den 50 Booten, die bisher von Humanity 1 gerettet wurden, wurden Dutzende von Besatzungsmitgliedern mit Fernglas oder Suchkamera an Bord gesichtet, ohne dass zuvor ein Notruf eingegangen war.

Crewmitglied in der Brücke der Humanity 1
Maria Giulia Trombini / SOS Humanity

Die übrigen Notfälle wurden über Funk oder per E-Mail gemeldet, häufig von zivilgesellschaftlichen Organisationen dwie Sea Watch oder Pilotes Volontaires, die Überwachungsflugzeuge betreiben. Als Schiff, das sich in der Nähe eines in Not geratenen Bootes befindet, ist der Kapitän laut Gesetz verpflichtet, sich der gemeldeten Position zu nähern und Hilfe zu leisten.

Laurin Schmid / SOS Humanity

Leider kann die Humanity 1 nicht immer als erste vor Ort sein. Bei einem Vorfall im Dezember 2022 näherte sich ein Schiff der sogenannten libyschen Küstenwache einem in Seenot geratenen Schlauchboot und zwang die ca. 50 Menschen an Bord gewaltsam, auf ihr Patrouillenboot zu kommen – und das alles vor den Augen von Humanity 1. Die Flüchtlinge wurden geschlagen, ausgeraubt und mit Maschinengewehren bedroht, bevor sie nach Libyen zurückgebracht wurden.

Koordination in der Brücke der Humanity 1
Maria Giulia Trombini / SOS Humanity

Diese sogenannten Pullbacks sind grausam und illegal – sie verstoßen gegen das Seerecht, das eindeutig besagt, dass Menschen in Not gerettet und an einen sicheren Ort gebracht werden müssen. Libyen, ein vom Krieg verwüstetes Land, in dem unschuldige Menschen in Internierungslagern festgehalten werden, kann nicht als sicher gelten.

Mehr Fotos aus der Austellung:

Rescue Operation
Laurin Schmid / SOS Humanity
Rescue of a wooden boat in distress
Laurin Schmid / SOS Humanity
Geretteter, Crew der Humanity 1 und italienische Küstenwache
Max Cavallari / SOS Humanity
Gerettete an Bord der Humanity 1 in rotem Licht
Laurin Schmid / SOS Humanity
Crew und Überlebende an Deck
Laurin Schmid / SOS Humanity
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