SOS Humanity kritisiert Ausschiffung von Geretteten in Albanien

Berlin, 15.10.2024. Seit gestern bringt ein Schiff der italienischen Marine Flüchtlinge, die von Libyen aufgebrochen waren und aus Seenot gerettet wurden, in neu errichtete Aufnahmezentren in Albanien, wie italienische Medien berichten. Es sind die ersten Schutzsuchenden, die nach Albanien gebracht werden, um dort ihr Asylverfahren durchzuführen – auf albanischem Territorium und nach italienischem Recht. SOS Humanity kritisiert nachdrücklich, dass ihre Asylanträge in einem Schnellverfahren außerhalb der EU bearbeitet werden, was eine erhebliche Gefahr für die Wahrung ihrer Menschenrechte darstellt.
„Als Organisation, die unter strikter Einhaltung des Völkerrechts Menschen aus Seenot rettet, lehnen wir Italiens Verbringung von Überlebenden nach Albanien entschieden ab“, betont Mirka Schäfer, Politikexpertin bei SOS Humanity. „Das Abkommen zwischen Italien und Albanien verstößt gegen das internationale Seerecht und birgt die Gefahr, dass die Grundrechte von Flüchtlingen weiter ausgehöhlt werden. Italien hält de facto schutzsuchende Menschen auf albanischem Boden ohne gerichtliche Prüfung fest, was zutiefst unmenschlich ist und gegen ihre Grundrechte verstößt. Es handelt sich um Geflüchtete, die auf ihrer Flucht und während ihres Aufenthalts in Libyen oder Tunesien Gewalt, Menschenhandel oder Folter ausgesetzt waren. Das Abkommen ist eine weitere Strategie eines EU-Mitgliedstaates, das Migrationsmanagement auszulagern und damit die Verantwortung für die Menschenrechte von Flüchtlingen abzuwälzen.“
SOS Humanity ist nicht allein mit der Einschätzung, dass das Abkommen zwischen Albanien und Italien vom 6. November 2023 eine erhebliche Bedrohung für die Menschenrechte von Flüchtlingen, Asylbewerbern und Migranten darstellt. Diese Ansicht teilen auch der Menschenrechtskommissar des Europarats sowie Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und Human Rights Watch.[1] Auch das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR äußerte ernste Bedenken zu dem Verfahren und wird dessen Umsetzung überwachen.[2}
„Aus Sicht einer Seenotrettungsorganisation ist es höchst problematisch, dass das Abkommen zu Verzögerungen bei der Ausschiffung von aus Seenot geretteten Menschen führt“, erklärt Mirka Schäfer. „Das Abkommen verstößt gegen die internationale Verpflichtung, Überlebende am nächstgelegenen sicheren Ort auszuschiffen. Der albanische Hafen Shengjin ist rund 1.000 Kilometer vom Rettungsgebiet entfernt, was mehrere zusätzliche Tage Fahrtzeit im Vergleich zu einer Ausschiffung auf Lampedusa oder Sizilien bedeutet. Dies stellt ein zusätzliches Risiko für die Gesundheit und das Wohlbefinden der Überlebenden dar.”
SOS Humanity fordert die Auflösung des Abkommens, da es die Grund- und Menschenrechte von Flüchtlingen gefährdet und das Recht auf Asyl untergräbt. Darüber hinaus fordert SOS Humanity die Europäische Kommission dazu auf detailliert und transparent zu prüfen, ob diese neue Form der Auslagerung von Asylverfahren durch Italien gegen EU-Recht und internationale Verpflichtungen der EU-Mitgliedstaaten verstößt.
[1] https://www.amnesty.org/en/documents/eur30/7587/2024/en/
[2] https://www.coe.int/de/web/commissioner/-/italy-albania-agreement-adds-to-worrying-european-trend-towards-externalising-asylum-procedures, https://www.unhcr.org/europe/news/press-releases/italy-albania-protocol-unhcr-undertake-monitoring-activities-safeguard-and

Lesen Sie zu diesem Thema auch unseren kürzlich erschienenen Bericht „Menschlichkeit über Bord“ mit Analysen, Umfragen an Bord der Humanity 1 und zahlreichen Daten und Fakten rund um die humanitäre Katastrophe auf dem Mittelmeer.
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