SOS Humanity veröffentlicht Positionspapier gegen EU-Externalisierungspolitik

An empty white boat on the blue Mediterranean Sea that was probably intercepted.
Leon Salner / SOS Humanity

Positionspapier: Menschen retten statt Flüchtlingsschutz in Drittstaaten auslagern

Berlin, 10. Dezember 2024 – Um Menschen von der Flucht über das zentrale Mittelmeer und der Ankunft in der EU abzuhalten, lagern die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten die Grenzkontrolle und Asylverfahren zunehmend an Drittstaaten aus. Sie geben hierfür Millionen von Steuergeldern aus und fördern somit Menschenrechtsverletzungen an Flüchtlingen: Von 2016 bis 2027 werden die EU und ihre Mitgliedstaaten mindestens 327,7 Millionen Euro in das Grenzmanagement Libyens und Tunesiens investiert haben.

Anstatt Menschen auf der Flucht zu retten, lagern die EU und ihre Mitgliedstaaten die Grenzkontrolle und den Flüchtlingsschutz im zentralen Mittelmeerraum an Drittstaaten wie Tunesien, Libyen und Albanien aus. Die Auslagerung umfasst auch die Unterstützung der sogenannten libyschen und der tunesischen Küstenwache. Beide Akteure führen illegale Zurückweisungen durch und sind für schwere Menschenrechtsverletzungen an Flüchtlingen verantwortlich. In ihrem heute veröffentlichten Positionspapier fordert SOS Humanity ein Ende der Externalisierungspolitik im Zusammenhang mit der Seenotrettung, die zur Verletzung und Einschränkung der Rechte von Flüchtlingen führt. SOS Humanity verlangt, dass die EU und ihre Mitgliedsstaaten stattdessen das Recht auf Asyl schützen.

„Diese mit Steuergeldern finanzierte Politik ist in mehrfacher Hinsicht problematisch und dysfunktional: Sie ist übermäßig teuer, gefährdet die Rechtsstaatlichkeit und führt zu schweren Menschenrechtsverletzungen. Der Schutz von Flüchtlingen wird ausgelagert und durch illegale Zurückweisungen, willkürliche Inhaftierungen und die Verweigerung des Asylrechts in sein Gegenteil verkehrt. Diese Externalisierung stellt eine skandalöse Aushöhlung der europäischen Werte, des Völkerrechts und des europäischen Rechts dar“, kritisiert Marie Michel, Politikexpertin von SOS Humanity.

Illegale Zurückweisungen von Flüchtlingen nach Libyen

Obwohl verschiedene Gerichte wiederholt bestätigt haben, dass die von der EU unterstützte libysche Rettungsleitstelle und sogenannte libysche Küstenwache keine Seenotrettung gemäß internationalem Recht durchführen*, unterstützen und finanzieren die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten diese zweifelhaften libyschen Akteure. Die europäische Grenzschutzagentur Frontex und europäische Küstenstaaten wie Italien und Malta arbeiten mit libyschen Akteuren zusammen, die Flüchtlinge in Seenot auf dem Mittelmeer gewaltsam abfangen und illegal nach Libyen zurückbringen. Damit machen sich die EU und ihre Mitgliedstaaten mitschuldig an systematischen und schweren Menschenrechtsverletzungen gegen Flüchtlinge und Migranten in Libyen, die von der unabhängigen Untersuchungsmission der Vereinten Nationen in Libyen als Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingestuft wurden. Menschen daran zu hindern zu fliehen, schränkt ihr Recht auf Asyl ein und verursacht Leid und Tausende von Toten an der EU-Außengrenze im zentralen Mittelmeer.

Die sogenannte libysche Küstenwache, die von der EU und ihren Mitgliedstaaten finanziert und ausgerüstet wird, hat zwischen 2016 und November 2024** mehr als 144.800 Menschen abgefangen und illegal zurückgeführt. Sie hatten versucht, aus der oft von ihnen beschriebenen „libyschen Hölle“ über das Mittelmeer zu fliehen.

Illegale Rückführung von Flüchtlingen nach Tunesien

Trotz der sich dramatisch verschlechternden Menschenrechtslage in Tunesien haben die EU und ihre Mitgliedstaaten ihre Zusammenarbeit mit dem Land verstärkt, indem sie Grenzkontrollen sowie Such- und Rettungsmaßnahmen an die tunesischen Behörden auslagerten. In ihrem neuen Abkommen von 2023 wurden Tunesien von der EU 105 Millionen Euro für die Grenz- und Migrationskontrolle zugesagt.
Allerdings verstößt die Ausschiffung von aus Seenot geretteten Menschen in Tunesien gegen das Völkerrecht, denn Tunesien kann nicht als sicherer Ort angesehen werden. Dennoch unterstützte die EU im Juni 2024 die Einrichtung einer tunesischen Such- und Rettungszone, was dazu führte, dass mehr Menschen auf der Flucht widerrechtlich durch die tunesische Küstenwache nach Tunesien zurückgebracht wurden. Berichten zufolge gefährdet diese das Leben der Flüchtenden durch Hochgeschwindigkeitsmanöver, die Boote zum Kentern bringen, durch körperliche Gewalt, den Einsatz von Tränengas aus nächster Nähe und beabsichtigte Kollisionen mit den Booten.

Neu: Auslagerung von Asylverfahren

Darüber hinaus haben sich seit 2023 neue Formen der Externalisierung, wie das Italien-Albanien-Abkommen zur Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten als undurchführbar erwiesen. Die Kosten des Abkommens belaufen sich auf 653 Millionen Euro über fünf Jahre. Derzeit scheint es nicht weiter umgesetzt zu werden. Zudem wurde die Inhaftierung der 19 aus Seenot Geretteten in Albanien aufgrund mehrerer Gerichtsentscheide aufgehoben.

SOS Humanity fordert die EU und ihre Mitgliedsstaaten auf, die Unterstützung der sogenannten libyschen und der tunesischen Küstenwache und ihre Beteiligung an Menschenrechtsverletzungen zu beenden und stattdessen das Recht auf Asyl zu schützen.

*Siehe als Beispiel die Einschätzung eines italienischen Gerichts: Endgültiges Gerichtsurteil: Die Inhaftierung von Humanity 1 war rechtswidrig!

**Die Zahl wurde mit den Daten von UNHCR und IOM berechnet. Überlebende haben der Besatzung an Bord des Rettungsschiffes Humanity 1 wiederholt von der „libyschen Hölle“ berichtet. Eine Auswahl finden Sie hier.

An empty white boat on the blue Mediterranean Sea that was probably intercepted.
Leon Salner / SOS Humanity
Das vollständige Positionspapier

mit dem Titel „Menschen retten statt Flüchtlingsschutz in Drittstaaten auslagern – Externalisierungspolitik beenden!“ finden Sie hier.

Für Rückfragen, Stellungnahmen oder Interviews 

wenden Sie sich bitte an Pressesprecherin Petra Krischok, presse@sos-humanity.org, +49 (0)176 552 506 54.

Bild- und Videomaterial für redaktionelle Zwecke

der Rettungseinsätze von SOS Humanity im Jahr 2024 finden Sie unter diesem Link. Bitte nennen Sie bei Verwendung Name Fotograf*in / SOS Humanity.  

Hinweis:

Für Jounalist*innen besteht die Möglichkeit, während eines Einsatzes an Bord dabei zu sein. Bitte kontaktieren Sie unser Presseteam bei Interesse. 

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