Unrechtmäßige Festsetzung: Was wirklich passiert ist

Zwei Crewmitglieder auf einem RHIB von hinten bei der Rettung einer Person, die sich im Wasser befindet.
Jana Stallein

Seit dem 3. Dezember 2023 wird die Humanity in Crotone, Süditalien, festgesetzt. Die Festsetzung für 20 Tage und die Geldstrafe in der Höhe von mehreren Tausend Euro beruht einzig und allein auf Lügen zu einer Rettung am 30. November, bei der unsere Crew 46 Menschen aus dem Wasser gerettet hat. Wäre die Humanity 1 nicht vor Ort gewesen, wären sie ertrunken. Was wirklich geschah: 

Donnerstag, kurz nach 6 Uhr morgens geht Notruf ein: Ein Schlauchboot in Seenot in internationalen Gewässern vor der libyschen Such- und Rettungszone. Rund zwei Stunden lang weigern sich die in Frage kommenden Leitstellen zu koordinieren. Am Ende kann unsere Crew mit unserem Rettungsschiff, der Humanity 1, 90 Menschen retten, darunter ein Baby.

Gleichzeitig erhalten wir ein neue Informationen zu einem anderen Seenotfall von dem zivilen Überwachungsflugzeug Seabird. Wir bitten die zuständigen Rettungsleitstellen um Koordination. Bei der libyschen Küstenwache erreichen wir nur eine arabisch sprechende Person. Und das, obwohl Rettungsleitstellen dazu verpflichtet sind, 24 Stunden am Tag mit englischsprachigem Personal besetzt zu sein.

Seabird berichtet uns, dass das Boot in Seenot nicht allein ist. Die sogenannte libysche Küstenwache vollzieht einen Pull-Back: Sie zwingt Menschen von dem Schlauchboot an Bord ihres Bootes, um sie illegalerweise nach Libyen zurückzubringen. Etliche springen ins Wasser. Wir sind etwa fünf Kilometer entfernt und wissen: Wenn jemand nicht schwimmen kann, hat die Person ein bis zwei Minuten. Kann sie schwimmen, bleiben einige Minuten und nur mit Glück mehr. Wir versuchen das Patrouillenschiff zu erreichen – erfolglos.

Weißes Flugzeug Seabird auf blauem Himmel
Funk-Kanal 16
Humanity 1 ruft das libysche Patrouillenschiff, welches nicht antwortet. Seabird gibt ein Status-Update.
  • Kapitän Humanity 1
    Libyan Coast Guard Vessel 656, this is Motor Vessel Humanity 1 Calling on 16.
  • Kapitän Humanity 1
    Joachim: Libyan Coast Guard Vessel 656 this Motor Vessel Humanity 1 approximately 3 miles south of your position. Please answer my call.
  • Seabird
    Humanity 1 to Seabird on 1 6
  • Kapitän Humanity 1
    Seabird, Humanity
  • Seabird
    Humanity 1 status update. The Rubber boat alsongside the patrol boat the tube, the left tube is very much deflated. There are a lot of people in the water currently trying to swim away from the coast guard vessel. I would assume about 30 to 40 people in the water. Maybe you can launch your... Over.
  • Kapitän Humanity 1
    Approximately three zero to four zero people in the water and I guess the Coast guards are not launching a revive?
  • Seabird
    Not at the moment. They are taking the people from the boat onbord.
  • Kapitän Humanity 1
    Yes, that has been understood. I am proceeding.

Die sogenannte libysche Küstenwache sieht die vielen Menschen im kalten Wasser und den Wellen. Sie werfen keine Westen oder andere Rettungsmittel, sie lassen nicht ihr Schnellboot ins Wasser. Wieder bitten wir die in Frage kommenden Behörden um Koordination. Wir bekommen eine Antwort von der italienischen Rettungsleitstelle: Unser Kapitän solle alles tun, um das Leben der Menschen zu schützen.

Unsere Crew wirft Rettungsmittel ins Wasser und versucht die im Meer verstreuten Menschen nacheinander mit Stangen und bloßen Händen zu retten. Rocco, der den Einsatz vor Ort koordiniert, berichtet später von zwei Menschen, die schon 20 Zentimeter unter der Wasseroberfläche sind. Sie können gerade noch rausgezogen werden. 46 Menschen kann unsere Crew an Bord der Humanity 1 bringen. Teilweise wurden sie von Verwandten getrennt, die von der sogenannten libyschen Küstenwache zurückgezwungen wurden. So ein Junge von seiner Schwester, beide minderjährig. Und ein Mann von seiner schwangeren Frau. Er ist verzweifelt. Alle sind nass, völlig durchgefroren, geschockt.

Zwei Crewmitglieder auf einem RHIB von hinten bei der Rettung einer Person, die sich im Wasser befindet.
Jana Stallein
Links ein weißes Schlauchboot mit vielen Geflüchteten und rechts das RHIB von SOS Humanity mit der Crew an Bord.
Jana Stallein
Zwei Crewmitglieder von der Humanity 1 von hinten auf dem RHIB
Jana Stallein
Schiff der libyschen Küstenwache, als die Crew der Humanity 1 einen Pull-Back bezeugt.
Camilla Kranzusch / SOS Humanity

Wir haben einen sicheren Hafen zugewiesen bekommen, Livorno weit im Norden Italiens. Mit voller Geschwindigkeit fahren wir dorthin, doch am Nachmittag sichtet ein Crewmitglied mit dem Fernglas ein überbesetztes Holzboot. Unsere Crew führt – diesmal koodiniert von der italienischen Leitstelle – eine dritte Rettung durch und bringt 40 Menschen an Bord, darunter ein erst zwei Wochen altes Baby und eine schwangere Frau. Mittlerweile haben wir einen näheren Hafen zugewiesen bekommen, Crotone. Doch kaum ist die Crew wieder an Bord, wird ein neuer Notfall gemeldet. Diesen erreicht die Humanity 1 am späten Abend und kann weitere 24 Menschen aus Seenot retten.

Gerettete von oben fotografiert als sie von Bord der Humanity 1 gehen und von Personal des Roten Kreuzes empfangen werden.
Camilla Kranzusch / SOS Humanity

In nur 18 Stunden rettet unsere Crew 200 Menschen aus Seenot. Diese können am Samstag, dem 2. Dezember, im süditalienschen Crotone, an Land gehen. Sechs der Überlebenden – darunter die Mutter mit ihrem neugeborenen Baby – werden ins Krankenhaus gebracht. Dann treffen die italienischen Behörden eine nicht nachvollziehbare Entscheidung:

Die Humanity 1 wird auf Basis von Lügen festgesetzt!

Die Festsetzung von 20 Tagen und eine Geldstrafe in der Höhe von mehreren Tausend Euro basiert einzig und allein auf falschen Behauptungen zu der zweiten Rettung. Wir wären Schuld daran, dass die Menschen im Wasser gewesen seien, dabei waren sie schon im Wasser, bevor wir überhaupt vor Ort waren. Hätten wir nichts unternommen, wären sie allerdings ertrunken. Außerdem soll die Crew Anweisungen der libyschen Behörden nicht befolgt haben. Eine Lüge, denn es gab nie Anweisungen. Die lückenlos dokumentierte Funkkommunikation sowie Videos und Fotos von der Rettung beweisen die Untätigkeit der Behörden und entlarven ihre falschen Behauptungen.

"Ich bin schockiert über die Lügen, die der Festsetzungsbericht enthält."

Wir klagen!

Unsere Crew hat mit den zuständigen Behörden kooperiert, geltendes Recht eingehalten und alles getan, um das Leben anderer Menschen zu retten und zu schützen. Wir werden gegen diese Blockade unseres Schiffes klagen. Hilf uns, rechtlich gegen das Vorgehen der Behörden vorzugehen. Nur gemeinsam können wir uns wehren. Wir brauchen dich!

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