„Sie näherten sich unserem Boot und feuerten Schüsse in die Luft und ins Wasser.“

Four people on board the HUmanity 1 looking to the near shore of Italy.
Wanda Proft / SOS Humanity

Mohamed und Abdul*, beide 22, sind aus Bangladesch geflohen und kamen nach Libyen, um von dort aus das Mittelmeer zu überqueren. Sie waren mindestens drei Monate in Libyen inhaftiert, nachdem die europäisch finanzierte sogenannte libysche Küstenwache sie auf der Flucht abfing und gewaltsam nach Libyen zurückbrachte.

Inhaltswarnung: Folter, Tod

*Zum Schutz der Personen wurden ihr Namen geändert und sie sind nicht auf den Fotos abgebildet.

Bangladesch

Niemand kann einfach so seine Familie verlassen. Wir alle lieben unsere Familie. Wir möchten gemeinsam mit unseren Familien leben. Aber in Bangladesch haben wir so viele politische Probleme. Drei Monate lang habe ich nicht mit meiner Familie gesprochen. Sie denken, dass ich tot bin.  

Jeder, der an die Vergangenheit denkt, an die Probleme, an die Schläge, die er erlitten hat, ist sehr verängstigt.

"Wir sind durch die Hölle gegangen und haben Angst, wieder daran zu denken. Wir wollen nicht zurückgehen. Wenn man die Hölle sehen will, muss man nach Libyen gehen. Es ist eine echte Hölle in Libyen. "
empty boat on the Central Mediterranean
Wanda Proft / SOS Humanity

Pull-Back

Wir haben viele Länder durchquert, bevor wir Libyen erreichten. Nach ein paar Tagen dort sind wir in ein Boot gestiegen, um nach Lampedusa zu kommen. Es waren 130 Menschen auf dem Boot. Wir waren 12 Stunden lang unterwegs. Mitten auf dem Meer kamen wir in die Nähe einer Ölplattform, und dort entdeckte uns die libysche Küstenwache. Sie näherte sich unserem Boot und die Männer feuerten Schüsse in die Luft und ins Wasser. Sie zwangen uns, das Boot zu verlassen und beschlagnahmten es. An Bord ihres Schiffes waren Leute aus Bangladesch, Pakistan und Iran. Es gab alte Männer, einige kleine Kinder und eine schwangere Frau. Stell dir eine schwangere Frau vor. Sie musste das alles durchmachen

Libyen

Sie haben uns alle festgenommen und zurück nach Libyen gebracht, wo sie uns inhaftierten.

"Das war ein sehr hartes Gefängnis. Man kann nicht sehen, wie die Sonne auf- oder untergeht, es gibt weder Licht noch Luft von draußen."

Sie haben 500 Menschen in einer einzigen Zelle untergebracht. Sie nahmen uns unsere Kleidung, Taschen, Lebensmittel und unser ganzes Geld weg. Wir hatten nur noch die Kleider, die wir am Körper trugen.  

Sie haben uns nicht genug zu essen gegeben. Wir bekamen einen einzigen Teller mit Nudeln für ein Dutzend Leute. Alle waren sehr hungrig. Wenn wir etwas bekamen, mussten wir ganz langsam essen. Aber der Hunger war so groß, dass wir die Nudeln verschlangen. Also haben wir alles wieder erbrochen. Viele Leute wurden krank. Einige hatten Fieber, Hautausschläge oder andere Probleme. Es gibt Menschen, die im Gefängnis sterben, an Hunger, an Krankheiten oder am Dreck. Wir hatten kein Wasser zum Duschen und keine Wechselkleidung. Wenn jemand um Medizin bat, dann kamen sie mit Gewehren und schlugen zu. Manchmal auf das Gesicht, auf die Brust, und dann auf die eine und die andere Seite. Diese Leute haben uns auch mit Wasserrohren geschlagen. Das Wasserrohr ist ein sehr stabiles Rohr. Sie schlugen uns damit auf die Füße, unter die Füße und manchmal auf den Kopf. Wenn sie uns auf den Kopf schlugen, brach das Rohr manchmal entzwei. Sie schlugen sogar die Kinder sehr hart. Das ist wirklich passiert. Aber nun können wir weitermachen.  

Crew member looking out of a small window on Humanity 1.
Leon Salner / SOS Humanity

Einige der Menschen haben ein Visum für Libyen. Sie kommen, um zu arbeiten. Doch die Polizei schnappt auch sie, ohne überhaupt das Visum zu überprüfen. Sie inhaftieren jeden Bangladescher, jeden, der so aussieht oder Bangla spricht. Sie fangen die Menschen aus Bangladesch und werfen sie ins Gefängnis. Es gibt sehr viele Bangladescher im Gefängnis. Vor kurzem hörten wir die Nachricht, dass sie fünf Bangladescher in einem Gefängnis erschossen haben. Sie haben ihnen das Gehirn weggeschossen und sie getötet. 

Mitarbeitende der Vereinten Nationen kommen manchmal ins Gefängnis, um zu prüfen, unter welchen Bedingungen die Menschen dort festgehalten werden. Die Polizei holt dann zehn Personen und bringt sie in einen schönen Raum. Aber hinter den Wänden werden 500 Menschen in einer Zelle für 50 Personen festgehalten. Sie zeigen den Leuten von der UN nur gute Dinge. Die schlechten zeigen sie nie.  

Für uns ist es sehr schwer, aus Libyen zu entkommen. Die Botschaft von Bangladesch schickt manchmal Mitarbeitende ins Gefängnis, um über die Rückführung nach Bangladesch zu verhandeln. Aber die libysche Polizei will das nicht, denn wenn du zurück nach Bangladesch gehst, verdienen sie selbst nichts an dir. Stattdessen versuchen sie entweder, dich an andere Libyer zu verkaufen oder sie verlangen Geld von dir, damit du noch einmal probieren kannst, über das Meer nach Italien zu gelangen. Sie zwingen dich zu zahlen, damit du endlich deine Freiheit erlangst.  

Um Geld zu bekommen, foltern sie dich. Vor allem Menschen aus Bangladesch werden im Gefängnis gefoltert. Sie binden deine Beine zusammen und hängen dich an deinen Beinen auf. Wenn dich jemand aufhängt, kannst du nichts mehr tun. Sie hängen dich auf, ziehen dich nackt aus, und dann schlagen sie dich richtig hart. Sie machen ein Video davon. Das schicken sie dann an deine Familie und fragen nach Geld. Unsere Familienmitglieder sehen diese Videos. Stell dir meine Eltern vor, sie sehen mich nackt und an den Füßen hängend. Sie sehen, wie ich mit einer Stange geschlagen werde. Also verkaufen sie, was sie haben, um ihr Kind zu retten. Sie verkaufen die kleine Hütte, in der sie leben. Sie haben nichts mehr übrig, kein Ort zum Leben.

"Genau das ist passiert und das ist, was in Libyen wirklich geschieht. Einige Menschen konnten entkommen, aber andere sind immer noch in Libyen im Gefängnis."

[Dieses Interview wurde von Camilla Kranzusch, Kommunikationskoordinatorin, während des 11. Rettungseinsatzes von der Humanity 1 geführt und aus dem Bengalischen übersetzt.]

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