„Geht hin, auch, wenn ihr geringe Kapazitäten habt!“ Camilla über die Relevanz des Aktivismus von Freiwilligengruppen

Camilla hinter dem SOS Stand auf dem Weihnachtsmarkt
Camilla da Silva

Camilla ist Mitglied der Kölner Freiwilligengruppe von SOS Humanity und schon seit der Gründung der Lokalgruppe aktiv. Inzwischen ist sie fester Bestandteil des Teams, das den SOS-Podcast „Save Our Souls“ produziert. Im Gespräch berichtet sie von den vielen Möglichkeiten innerhalb der Freiwilligenarbeit und hebt die Vorteile für die NGO-Arbeit hervor.

Wie bist du dazu gekommen, dich freiwillig für SOS Humanity zu engagieren?

Während meines Studienbeginns in Bonn habe ich nach einer Gruppe gesucht, in der ich mich engagieren könnte, war dann allerdings ein wenig überfordert mit dem Angebot. Als ich dann von einer Freundin, die bereits in Berlin bei damals noch SOS Méditerranée engagiert war, gehört habe, dass es eine Gruppe in Köln geben soll, fiel mir die Entscheidung leicht.

"Das Thema Seenotrettung und die Tatsache, dass Menschen auf der Flucht geschützt und gerettet werden müssen, waren für mich direkt unterstützenswert."

Woher kommt dein Interesse an ziviler Seenotrettung?

Über meine Freundin aus der Berliner Freiwilligengruppe habe ich viel mitbekommen und fand es cool, wie sich die Menschen dort mobilisiert haben. Da die Geschäftsstelle von SOS Humanity auch in Berlin ist, waren die Freiwilligen dort stets im intensiven Austausch und konnten dementsprechend auch von Menschen berichten, die selbst bei Rettungseinsätzen dabei waren oder politische Arbeit gemacht haben. Das fand ich von Anfang an super interessant und faszinierend, besonders, weil es im breiteren gesellschaftlichen und politischen Diskurs nicht so stark thematisiert wird.

Als ich mich dann intensiver mit dem Thema beschäftigt habe, war ich massiv erschüttert von den Zahlen und besonders von den Berichten der Überlebenden, die SOS viel in der Öffentlichkeitsarbeit nutzt, um individuelle Schicksale darzustellen. Das hat mich so berührt, dass ich das Thema seitdem nicht mehr ruhen lassen kann und weiterhin versuche, Menschen über der Situation auf dem zentralen Mittelmeer aufzuklären.

Inwiefern ist die Freiwilligenarbeit ein relevanter Bestandteil der NGO-Arbeit?

Ich sehe es als sehr bedeutend an, dass wir durch unsere Infostände auf diversen Veranstaltungen mit Leuten in den Austausch kommen, die sich sonst gar nicht mit dem Thema befassen. Dadurch, dass uns zum Beispiel Künstler*innen, vor allem in Köln, eine Bühne geben und uns mit auf Konzerte nehmen, erreichen die Freiwilligen eine ganz andere Zielgruppe.

"Gerade die Verankerung in der Zivilgesellschaft ist durch die Freiwilligen viel besser gesichert."

Darüber hinaus können durch die Vernetzung mit anderen Lokalgruppen, die sich mit dem Thema Seenotrettung befassen, lokale Netzwerke mit breiteren Wirkungskreisen entstehen. Auch der Podcast, der von Freiwilligen gestaltet wird, bereitet relevante Themen für Menschen auf, die sich noch nicht besonders viel mit dem Thema Flucht und Seenotrettung befasst haben.

Freiwillige von SOS Humanity auf dem Randale & Freunde Festival
Michael Winkler

Was erhoffst du dir von dem Podcast-Projekt?

Ich glaube, dass der Podcast für viele Menschen ein Medium darstellt, das sie gut in den Alltag integrieren können und das einen niedrigschwelligen Zugang zu sehr schwierigen, komplexen Themen ermöglicht. Ich hoffe, dass durch die Verfügbarkeit und eingängliche Aufbereitung, mehr Menschen bereit sind, sich mit dem komplexen Thema der Seenotrettung auseinanderzusetzen und die allgemeine Überforderung überwunden werden kann. In der letzten Folge zur GEAS (Gemeinsame Europäische Asylsystem)-Reform mit Wiebke Judith von Pro Asyl zum Beispiel, haben wir darauf geachtet, dass wir das Wichtigste so zusammentragen, dass häufig gestellte Fragen geklärt werden, um die Rezipient*innen ins Engagement und mit uns auf die Straße zu bewegen.

Was sind deine persönlichen Forderungen an die Politik?

"Als erstes würde ich mir wünschen, dass Versprechungen, die gemacht werden, auch eingehalten werden."

Ich finde es extrem frustrierend, wie oft Erwartungen nicht nur nicht getroffen werden, sondern noch fatalere Beschlüsse am Ende folgen wie zum Beispiel beim sog. „Rückführungsverbesserungsgesetz“. Auch SOS Humanity hat hierbei viel Öffentlichkeitsarbeit geleistet und ist politisch aktiv geworden. Nur um dann am Ende, als schon alles beschlossen und keine Mobilisierung mehr möglich war, vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden und zu erfahren, dass Seenotrettung jetzt noch stärker kriminalisiert ist.

Das ist schockierend und ich würde mir, auch im Umgang mit den Sorgen und Ängsten, die zivile Seenotretter*innen haben, mehr Ehrlichkeit wünschen. Denn ich hatte das Gefühl, dass viele falsche Beschwichtigungen geäußert wurden. Insbesondere vor dem Hintergrund der wichtigen und auch sehr belastenden Arbeit, die die Seenotretter*innen machen und die vor allem auch eine Arbeit ist, die eigentlich die Politik übernehmen müsste, ist das sehr enttäuschend.

Gibt es sonst noch etwas, das dir besonders am Herzen liegt?

Als Freiwillige möchte ich Menschen ermutigen zu Neuen- oder Onboarding-Treffen in ihrer Stadt zu gehen, die Freiwilligen der SOS Humanity-Lokalgruppen kennenzulernen, in den Austausch zu treten und zu schauen, inwiefern sie sich einbringen können.

"Allgemein habe ich den Eindruck, dass Menschen häufig Hemmungen haben, sich einzubringen, weil das Thema schwer und belastend ist."

Doch auch Menschen mit geringen Kapazitäten sind absolut willkommen und es gibt ganz diverse Möglichkeiten aktiv zu werden. Schon kleinste Tätigkeiten, wie Administratives oder die Unterstützung beim Sammeln von Materialien für den Stand oder bei Tombolas, sind super hilfreich für die lokalen Gruppen, machen sie stärker und sorgen dafür, dass sie besser wirken können und mehr Aufmerksamkeit schaffen.

Das heißt: Geht hin, auch, wenn ihr geringe Kapazitäten habt. Es ist immer schön, wenn sich Menschen austauschen und ihr Interesse zeigen!

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