Rede von unserem Gründer Klaus Vogel

Gründer Klaus Vogel steht an einem Pult auf der Bühne im FluxBau und hält die Eröffnungsrede. Im Hintergrund ist ein großer Bildschirm mit dem Logo von SOS Humanity zu sehen.
Manolo Ty / SOS Humanity
Wenn die Politiker Europas, unsere gewählten Politiker, ebenso wie Reedereien und andere große gesellschaftliche Gruppen nicht für unsere tiefsten humanitären Werte einstehen, für die Menschenwürde und das Recht auf Leben, müssen wir es selbst tun.
Portrait von Klaus Vogel.
Manolo Ty / SOS Humanity

Liebe Freundinnen und Freunde,

zuerst einmal möchte ich Sie und Euch alle von Herzen begrüßen!

Ich freue mich, dass Ihr gekommen seid, und möchte allen danken, die diesen Tag vorbereitet und möglich gemacht haben, mit viel Arbeit vor und hinter den Kulissen.

Es ist vor allem ein Tag des Dankes – an Sie und an Euch alle, die Ihr heute SOS Humanity und unser Rettungsschiff Humanity 1 mit Rat und Tat, mit harter, krasser Arbeit und mit sehr viel Geld unterstützt, und an Euch alle, die Ihr in den vergangenen 10 Jahren mitgeholfen habt, dass wir heute dort stehen, wo wir stehen.

Vielen, vielen Dank für alles. Ohne Euch gäbe es kein Rettungsschiff und kein SOS Humanity.

Vor 10 Jahren, Anfang Mai 2015, haben wir mit vier Familien in einer Wohnung in Berlin-Steglitz SOS Mediterranee Deutschland e.V. gegründet, das heutige SOS Humanity. Am 9. Mai 2015, dem Europatag, haben wir im „Haus der Kulturen der Welt“ hier in Berlin das europäische Netzwerk SOS Mediterranee öffentlich vorgestellt.

Es war eine dramatische, unruhige Zeit. Leider sind die Zeiten seitdem nicht besser oder ruhiger geworden. Zur Jahreswende 2014/15 gab es praktisch niemanden mehr im zentralen Mittelmeer, um die flüchtenden Menschen aus höchster Lebensgefahr zu retten.

Die Politik hat sich seitdem verweigert, aus Feigheit, Angst und in der zynischen, unmenschlichen Vorstellung, wenn man nicht rettete, würden einige Tausend ertrinken, und danach käme irgendwann einfach niemand mehr.

Doch die Menschen kamen trotzdem, und sie kommen weiterhin.

So bleibt nur die Zivilgesellschaft. Wenn die Politiker Europas, unsere gewählten Politiker, ebenso wie Reedereien und andere große gesellschaftliche Gruppen nicht für unsere tiefsten humanitären Werte einstehen, für die Menschenwürde und das Recht auf Leben, müssen wir es selbst tun.

Wir haben damals sieben Monate gebraucht, um in Deutschland und in Frankreich eine Dreiviertel Million Euro zu sammeln und ein geeignetes Rettungsschiff zu finden, zu chartern und auszurüsten: die Aquarius.

Am 29. Januar 2016 sind wir mit der Aquarius von Mukran auf Rügen ausgelaufen, sind über Bremerhaven, Marseille, Palermo nach Lampedusa gefahren und haben am 28. Februar 2016 das internationale Seegebiet vor Libyen erreicht.

Unsere erste Rettung mit der Aquarius am 7. März 2016 waren 74 erschöpfte, verletzte und verzweifelte Männer und Frauen in einem kleinen ungeschützten Schlauchboot weit vor der Küste Libyens. Wir haben diese Menschen an Bord genommen und ihnen zum ersten Mal seit langer Zeit etwas Sicherheit gegeben.

Seitdem haben wir über 39.000 erschöpfte, verletzte und verzweifelte Menschen aus Lebensgefahr und höchster Not gerettet. Und es geht immer weiter.

Unsere Hoffnung damals, die wir mit vielen Menschen teilten und bis heute teilen, war, dass wir mit einem großen Rettungsschiff die europäischen Regierungen aufrütteln und sie zur Humanisierung der Migrationspolitik und zur Wiederaufnahme der Seenotrettung bewegen könnten.

Aber unsere Erwartung, die große Mehrheit der europäischen Bürger und unsere Regierungen dazu zu bringen, Flüchtende als Mitmenschen zu begreifen und die Rettung von Flüchtenden im Mittelmeer als selbstverständliche Pflicht Europas anzuerkennen, hat sich nicht erfüllt.

Wir hätten uns damals niemals vorstellen können, dass wir nach zehn Jahren als spendenfinanzierte Seenotrettungsorganisation immer noch so dringend benötigt werden – und noch weniger, dass staatliche Stellen uns in unserer Arbeit massiv behindern, anstatt uns zu unterstützen.

Aber wir sind immer noch da. Wir werden weiter dringend gebraucht.

Jede Frau, jeder Mann, jedes Kind, das im Mittelmeer ertrinkt, hätte niemals dort sein dürfen, hätte sich niemals auf diesen gefährlichen Weg machen dürfen.

Aber wenn sie einmal dort sind, brauchen sie eine rettende Hand, ein Rettungsschiff und ein sicheres Ufer.

Wir versuchen weiterhin, eine solche rettende Hand zu sein, die Menschen gut aufzunehmen und in Sicherheit zu bringen.

Wir versuchen die Aufmerksamkeit hochzuhalten, damit die flüchtenden Menschen nicht vergessen werden, und für ihre Rechte einzustehen. Für ihr Recht auf Leben, auf Respekt und einen sicheren Ort.

Dabei geben wir niemals auf.

Vielen, vielen Dank für Eure Arbeit und für alle Unterstützung!