Vertrauen durch Hoffnung: Ingenieur Patrick berichtet von Bord
Patrick war bei der vierten Rotation der Humanity 1 als Maschinist an Bord. Neben seinen täglichen Aufgaben beschäftigen ihn persönliche Fluchtgeschichten sowie politische Angelegenheiten rund um die Situation auf dem Mittelmeer. In einem Interview erzählt er uns von seinem Weg zur zivilen Seenotrettung, dem Arbeitsklima an Bord und seinen politischen Forderungen.
Was sind deine Position und Aufgaben an Bord der Humanity 1?
Als dritter Maschinist oder Ingenieur besteht meine Hauptaufgabe in Wartungs- und Reparaturarbeiten im Motorraum und in den Maschinenräumen auf Anweisung des zweiten oder ersten Maschinisten. Außerdem unterstütze ich den zweiten Ingenieur bei den geplanten Wartungsarbeiten, nehme morgens und mittags die Messwerte aller Maschinen an Bord auf – von den Generatoren im Maschinenraum bis hin zu den anderen Maschinen in den Hilfsmaschinenräumen – und achte dabei auf Defekte, die dem Chefingenieur oder dem zweiten Ingenieur gemeldet werden. Außerdem muss ich die Maschinen- und Hilfsmaschinenräume von Öl- und Kraftstoffresten sowie Rost freihalten, um einen sicheren Arbeitsplatz zu gewährleisten.
Was motiviert dich, bei der Such- und Rettungsarbeit mitzuwirken?
Meine Reise in der maritimen Arbeit begann 2019, nachdem ich eine Ausbildung gemacht und als Bauingenieur gearbeitet hatte. Ich wollte etwas Neues und Aufregenderes machen. Ich hörte zum ersten Mal von einem Freund von der Such- und Rettungsarbeit. Nachdem ich von seinen Erfahrungen und den Möglichkeiten meine Fähigkeiten einzusetzen, gehört hatte, begann ich, auf der Website von SOS Humanity mehr zu lesen und zu verfolgen.
Ich habe von Ghanaern gehört und gelesen, die über Libyen nach Europa gereist sind und sah die Chance, Teil einer Organisation zu sein, die mir ermöglicht, aus erster Hand Erfahrungen mit diesen Überlebenden zu sammeln und diesen unglücklichen Menschen, von denen die meisten Opfer von Folter und Schmerz geworden sind, direkt zu helfen.
Inwiefern unterscheidet sich deine Arbeit auf unserem Rettungsschiff von der Arbeit auf einem kommerziellen Schiff?
Meine ersten Erfahrungen habe ich bei SOS Humanity gemacht. Obwohl ich noch nicht auf einem kommerziellen Schiff war, habe ich zwei Jahre [2020-2022] als ziviler Attaché auf Marineschiffen in Ghana gearbeitet, wo meine Arbeit der hier ähnelte (außer, dass ich hauptsächlich in den Trockendocks/Werften gearbeitet habe). Wie beim Militär üblich, war das hohe Maß an „Gehorchen, bevor man sich beschwert“ ein scharfer Kontrast, von dem ich feststellte, dass er hier auf der Humanity 1 nicht existiert.
An Bord der Humanity habe ich gelernt, dass es wichtig ist, anderen mit Respekt und Toleranz zu begegnen. Das Arbeitsumfeld ist angenehm und freundlich, und das „Fehlen“ eines „hierarchischen“ Systems im Gegensatz zu dem, was man auf kommerziellen Schiffen oder beim Militär erlebt, macht die Besatzungsmitglieder in keiner Weise weniger diszipliniert. Es herrscht ein hohes Maß an Respekt und Disziplin an Bord. Meiner Meinung nach kann man diszipliniert sein, ohne streng oder „gemein“ zu sein.
Was bedeutet Menschlichkeit für dich?
Menschlichkeit bedeutet für mich: Hoffnung. Es ist die Hoffnung, durch die Vertrauen aufgebaut und Liebe erfahren wird. Meiner Meinung nach wird und kann alles andere in der Natur gut und perfekt funktionieren. Nur die Menschen brauchen einander, damit wir den Sinn des Lebens verstehen.
Hast du politische Forderungen oder Wünsche, die du zur Situation auf dem Mittelmeer äußern möchtest?
Ich glaube, dass die Mächtigen, d.h. die politischen Entscheidungsträger*innen, nur zu gut wissen, dass das Mittelmeer ein Friedhof für Tausende, wenn nicht gar Millionen von Toten ist. Es ist sehr bedauerlich, dass diesem Phänomen wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird, während die Statistiken immer weiter wachsen. Ich bin der Meinung, dass viel getan werden kann, um das Leben der Menschen auf dem Mittelmeer zu schützen. Wenn die Politik die Arbeit der Nichtregierungsorganisationen unterstützen würde, insbesondere indem sie mehr Gesetze erlässt, um die Kriminalisierung von Such- und Rettungsorganisationen abzuschaffen, bin ich sicher, dass die Nachwelt über uns richtig urteilen würde.
Auch und vor allem bin ich der Meinung, dass eine Überprüfung der Legalität des Grenzübertritts und eine Verringerung der Hindernisse für Afrikaner*innen, die legal nach Europa kommen wollen, eine wichtige Rolle dabei spielen wird, die Verzweiflung der Menschen zu verringern, die bereit sind, ihr Leben auf gefährlichen Reisen zu riskieren. So wie diejenigen, die sich für die Reise über das Mittelmeer entscheiden.