Studie bestätigt erneut: Seenotrettung führt nicht zu mehr Flüchtenden
Eine im August 2023 veröffentlichte Studie der Universität Potsdam, der Hertie School und dem Deutsche Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) zeigt erneut, dass Seenotrettung nicht dazu beiträgt, dass mehr Menschen den lebensgefährlichen Weg über das Mittelmeer nach Europa wagen. Unter Berücksichtigung verschiedener Faktoren, die Auswirkungen auf die Migrationsbewegungen haben könnten, untersuchten die Forscher*innen die Migrationsbewegungen im zentralen Mittelmeer im Zeitraum von 2011 bis 2020. Zu den untersuchten Faktoren gehörten neben Such- und Rettungseinsätzen auf See auch wirtschaftliche Faktoren wie Wechselkurse, internationale Rohstoffpreise, Arbeitslosenquoten sowie Konflikte und meteorologische Bedingungen. Das Ergebnis der empirischen Datenanalyse ist eindeutig: Seenotrettung führt nicht zu mehr Überfahrten.
„Es gibt keine systematischen empirischen Beweise dafür, dass Migrationsbewegungen von Seenotrettung beeinflusst werden,“ bestätigt Studienautor Julian Wucherpfenning. „Unsere Ergebnisse deuten vielmehr darauf hin, dass andere Faktoren wie Gewalt, Armut, politische Instabilität und Rohstoffpreise maßgeblich für Migrationsbewegungen sind.“
Es sind deshalb vor allem Konflikte, wirtschaftliche Not, Naturkatastrophen und politische Verfolgung die Menschen zur Flucht bewegen. Fluchtgründe sind jedoch komplex, vielschichtig und individuell und sollten daher nicht vereinfacht und verallgemeinert werden. Die Studie verdeutlicht zudem erneut, wie wichtig Seenotrettung im Mittelmeer ist, denn Seenotrettung rettet Leben.
„Unsere Studie widerspricht daher jeglicher Politik, die versucht, Seenotrettung zu unterbinden oder zu kriminalisieren,“ so Wucherpfennig. „Politische Maßnahmen, die die Seenotrettung einschränken, führen nicht zu weniger Überfahrten, sondern lediglich zu mehr Todesfällen.“ Bei der Auswertung der Daten beobachteten die Forscher*innen nämlich, dass „[..] das Fehlen von Such- und Rettungsmaßnahmen und der Beginn von koordinierten Rückführungen mit einer höheren geschätzten Sterblichkeitsrate“ einher gehen[1].
Seit 2017 kamen mehrere wissenschaftliche Untersuchungen zu dem gleichen Ergebnis: Studien des ISPI (2020)[2], der Universität London (2017)[3], des Europäischen Hochschulinstituts (2019)[4] und der Universität Oxford (2017) [5] zeigen eindeutig, dass es keinen Zusammenhang zwischen der Anwesenheit von NGO-Schiffen und einer erhöhten Zahl von Überfahrten gibt.
„Wie frühere Forschungen gezeigt haben, sind Such- und Rettungseinsätze eine Reaktion auf die Zunahme [von Migrationsströmen] und nicht deren Ursache,“ so die Studienautor*innen. „Unsere Ergebnisse stehen im Einklang mit früheren deskriptiven Studien zur Rolle von Such- und Rettungseinsätzen und allgemein mit der Forschung zu Migrationsursachen, die darauf hinweist, dass irreguläre Migration viel eher durch sich verschlechternde wirtschaftliche Bedingungen, Umweltzerstörung, Konflikte oder Gewalt und politische Verfolgung erklärt werden kann.“
Mehr zur Studie: Kein „Pull-Effekt“ durch Seenotrettung (dezim-institut.de)