Bundestag muss heute Haft für humanitäre Hilfe verhindern

Demonstrant*innen vor dem Bundestag mit blauen Schildern.
Wasil Schauseil / SOS Humanity

Berlin, 18.01.2024. Am heutigen Donnerstag entscheidet der Bundestag über das „Rückführungsverbesserungsgesetz“, das Abschiebemaßnahmen verschärft und die Rechte von Schutzsuchenden massiv einschränkt. Durch eine Änderung des §96 Aufenthaltsgesetz soll humanitäre Hilfe künftig mit bis zu 10 Jahren Gefängnis bestraft werden. Neue Rechtsgutachen befürchten Strafverfolgung für Seenotrettungsorganisationen bei der Rettung Minderjähriger.

Der vom Bundesinnenministerium vorgelegte Gesetzentwurf sieht vor, dass auch uneigennützige Hilfe für Flüchtende strafbar sein soll. Aufgrund zivilgesellschaftlichen Protests wurde der Vorschlag durch den Zusatz “über den Landweg” abgeändert, um die Kriminalisierung ziviler Seenotrettung zu verhindern. Zwei neue Rechtsgutachten warnen nun allerdings, dass durch den Änderungsvorschlag zwar volljährige Personen straffrei gerettet werden dürften, jedoch ausgerechnet die Rettung unbegleiteter Minderjähriger jetzt strafbar werden könnte. Auch andere Menschenrechtsverteidiger, humanitäre Organisationen und Geflüchtete selbst sind weiter betroffen, da nach aktuellem Entwurf Solidarität mit flüchtenden Menschen an Land kriminalisiert wird. Wer beispielsweise Schutzsuchenden an den Außengrenzen Grundbedürfnisse wie Nahrungsmittel, Schlafplätze und medizinische Versorgung zur Verfügung stellt, dem drohen dafür in Deutschland künftig bis zu 10 Jahre Haft.

Menschenrechtsorganisationen fordern mit einer gemeinsamen Aktion am heutigen Abstimmungstag deshalb das Parlament auf, die Gesetzesänderung abzulehnen.

In ihrer Rede bei dem Protest vor dem Bundestag am Donnerstagvormittag sagte Marie Michel, Politikexpertin bei SOS Humanity: „Wir sind entsetzt, dass flüchtende Menschen und jene, die ihnen humanitäre Unterstützung bieten, in Deutschland mit Haftstrafen bedroht werden. Diese Kriminalisierung von uneigennütziger Hilfe ist ein Skandal und widerspricht unseren demokratischen Grundwerten. Deshalb fordern wir alle Bundestagsabgeordneten nachdrücklich auf, heute gegen diese Änderung des Paragrafen 96 Aufenthaltsgesetz zu stimmen.“

Sarah Schneider von Medical Volunteers International e.V., eine der an der Protestaktion beteiligten Organisationen, die direkt von einer Strafverfolgung betroffen werden könnte: “Die EU schottet sich weiter ab und beschränkt den Zugang zu Menschenrechten massiv. NGOs zu kriminalisieren, die sich für Menschenrechte einsetzen, ist entsetzlich! Gesundheit ist ein Menschenrecht und muss allen Menschen, ungeachtet ihres Aufenthalts oder Status, bedingungslos ermöglicht werden. Wir stellen uns mit allen anderen betroffenen Organisationen gegen diese Verschärfung und fordern den Schutz von humanitären NGOs und volle Solidarität mit allen Menschen auf der Flucht!”

Mit ihrer Forderung stehen die Organisationen nicht allein: Über 135.000 Menschen haben eine an Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und alle demokratischen Bundestagsabgeordneten gerichtete WeAct-Petition unterzeichnet. Die Unterschriften wurden am vergangenen Montag vor dem Bundestag an einen Vertreter des Innenausschusses übergeben.“

Hintergrund und weiterführende Links:

Der unabhängige Jurist R.A. David Werdermann und die Volljuristin und Rechtsberaterin Vera Magali Keller haben außerdem den neuen Entwurf der Gesetzesänderung in einem Kurzgutachten analysiert.

Zu dem aktualisiertem Entwurf haben auch die Juristen Aziz Epik und Valentin Schatz ein Gutachten veröffentlicht.

Bislang steht in Deutschland nur unter Strafe, wer „Ausländer“ gegen einen persönlichen Vorteil wie finanziellen Gewinn in den Schengenraum bringt. Nun aber hat das Bundesinnenministerium eine Gesetzesänderung vorgeschlagen, die vom Kabinett bestätig wurde, sodass auch die uneigennützige, humanitäre Hilfe für Flüchtende strafbar wird. In dieser Woche soll im Bundestag über das „Rückführungsverbesserungsgesetz“ abgestimmt werden, in welchem neben Asylrechtsverschärfungen eine Ausweitung der Strafbarkeit von Hilfe für Flüchtende im Paragrafen 96 Aufenthaltsgesetzt enthalten ist. Demnach unterliegen Helfende, die „wiederholt oder zugunsten von mehreren Ausländern handeln“, indem sie diese in den Schengenraum bringen, der Strafverfolgung.

Petition von SOS Humanity gemeinsam mit Sea-Watch, United4Rescue und weiteren NGOs mit über 136.000 Unterschriften.

Stellungnahme von 56 Organisationen gegen die Kriminalisierung von humanitärer Hilfe vom 21.11.2023, unterzeichnet u.a. von: Amnesty International Deutschland, Arbeiter-Samariter-Bund Deutschland, Ärzte ohne Grenzen Deutschland, Brot für die Welt Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V., Kindernothilfe e.V., Der Paritätische Gesamtverband, PRO ASYL, SOS-Kinderdörfer e.V., terre des hommes, u.v.m.

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