Meldung des Seenotfalls: Osprey 1, Alarmphone
Ort: Maltesische Such- und Rettungszone, 101 Seemeilen vor der libyschen Küste
Zustand des Bootes: Stark überbesetztes Holzboot, mit Schlagseite treibend, keine lebensrettende Sicherheitsausrüstung
Anzahl Gerettete: 126
Medizinischer Zustand: Viele Menschen sind dehydriert, geschwächt und unterkühlt. Einige sind seekrank und erbrechen, als sie an Bord kommen. Manche hinken.
Wetterbedingungen: Starker Wind mit bis zu 20 Knoten und Wellen in der Höhe von 1,5 – 2 Metern
Chronologie und Kommunikation mit den Behörden
Während sich die Humanity 1 in Position 24° 59’ N 014° 06’ E, in der maltesischen Such- und Rettungszone befindet erhält die Brücke der Humanity 1 am 17.01.2024 um 21:50 CET von Osprey 1 einen Mayday-Notruf per Funk über einen Seenotfall gemeldet, der sich ungefähr 130 Seemeilen von der Position der Humanity entfernt befindet.
Nachdem keinerlei Such- und Rettungsmaßnahmen von den zuständigen Behörden eingeleitet wurden, informiert der Kapitän der Humanity 1 um 22:36 CET die Rettungsleitstellen in Malta, Italien und Libyen Kurs auf den gemeldeten Seenotfall zu nehmen, um gemäß geltendem Seerecht nach Artikel 98 des UN-Seerechtsübereinkommens, Paragraf 1.1 der SOLAS-Konvention V/33 und des internationalen Übereinkommens von 1979 zur Seenotrettung, Anhang, Kapitel 1, Paragraf 1.3.2, Hilfe zu leisten.
Am 18.01.2024 um 06:20 CET informiert der Kapitän die zuständigen Rettungsleitstellen über das Eintreffen am Einsatzort, den Zustand des Bootes und die Einleitung von Rettungsmaßnahmen. Um 08:42 CET informiert der Kapitän der Humanity 1 die zuständigen Behörden über den Abschluss der Rettung von 126 Menschen. Von den Rettungsleistellen erhält der Kapitän der Humanity 1 keinerlei Antwort.
Um 08:57 CET weist die italienische Rettungsleitstelle (IT MRCC) der Humanity 1 Genua als sicheren Hafen für die Ausschiffung der Geretteten zu – etwa 1.100 km vom Ort der Rettung entfernt.
Mit Verweis auf die hohe zusätzliche psychische und physische Belastung für die Überlebenden an Bord der Humanity 1 durch die tagelange Überfahrt und die Gefahr durch sich verschlechternde Wetterbedingungen mit starken Winden und Seegang im Tyrrhenischen Meer, fragt der Kapitän der Humanity 1 die italienischen Behörden drei Mal nach einen nähergelegenen sicheren Hafen an.
Um 12:36 CET weist das IT MRCC der Humanity 1 Ortona als sicheren Hafen zu, 1.250 km entfernt.
Auf sich dramatisch verschlechternde Wetterbedingungen im adriatischen Meer verweisend, informiert der Kapitän die Behörden um 12:56 CET und um 16:36 CET über die Gefahr für die Crew und Überlebenden an Bord der Humanity 1 auf der Strecke nach Ortona. Die vorhergesagte Wetterlage entsprechen nicht den Stabilitätsanweisungen der Humanity 1 und würden damit das Schiff in Gefahr bringen.
Am 19.01. um 11:05 CET wiederholt der Kapitän der Humanity 1 zum dritten Mal seine Anfrage eines näher gelegenen sicheren Ortes aufgrund der sich dramatisch verschlechternden Wetterlage. Er informiert die Behörden, dass er gezwungen sein wird im Golf von Tarent Schutz zu suchen, um Crew, Überlebende und Schiff nicht in Gefahr zu bringen. Am 20.01. um 07:22 CET wiederholt der Kapitän der Humanity 1 seine Anfrage erneut und macht deutlich, dass keine sichere Überfahrt nach Ortona möglich sein wird. Um 08:31 CET weist das IT MRCC der Humanity 1 schließlich Tarent als sicheren Hafen für die Ausschiffung der Geretteten zu.